Studien legen nahe, dass eine vorangegangene
COVID-19-Infektion zu einer sexuellen Funktionsstörung führen kann. Untersuchungen
zeigen, dass Corona und Sex auf verschiedenen Ebenen in Verbindung stehen.
So berichteten laut Studien Männer, die eine Infektion mit dem Virus
überstanden haben, 2,63-mal häufiger über Ejakulationsstörungen als Männer, die
bislang nicht mit dem Coronavirus in Kontakt gekommen waren. Dass Corona die
Libido in beiden Geschlechtern beeinflusst, zeigen weitere Daten: Eine
vermehrte sexuelle Unlust nach einer Corona Infektion wurde sowohl von Männern
als auch Frauen im Vergleich zur Kontrollgruppe ohne Infektion 2,36-mal häufiger
berichtet.
Salonia et al. (2022) untersuchten
in einer Studie mit dem Titel "Testosterone in males with COVID-19: A
7-month cohort study", den Testosteronspiegel von Männern nach einer
Infektion mit dem Coronavirus. Die Ergebnisse zeigten, dass der Hormonspiegel besonders
während einer akuten Infektion reduziert war. Im Verlauf der siebenmonatigen
Beobachtungszeit stieg der Testosteronspiegel bei 87,6 % der Patienten wieder
an, während sich bei 9,9 % dieser Wert noch weiter reduzierte. Obwohl die
Mehrheit der Probanden eine Zunahme des Testosteronspiegels feststellte, lag der
Testosteronspiegel nach sieben Monaten bei 55 % der Teilnehmer noch immer in
einem Bereich, der mit den Symptomen eines Hypogonadismus vergleichbar ist.
Hypogonadismus ist ein Zustand bei dem die Gonaden (Eierstöcke oder Hoden), keine
oder zu wenige Spermien oder Eizellen produzieren.
Cito et al. (2021) führten eine Untersuchung von rund 1.500 Frauen und Männern
in Italien durch und befragten die Teilnehmer zu ihrem Sex während der Corona
Pandemie, insbesondere während der häuslichen Quarantäne. Die Ergebnisse
zeigten, dass die Lockdown-Maßnahmen gravierende Auswirkungen auf den Sex
während der Corona Pandemie hatten: 70 % der Männer berichteten über einen
Rückgang der Libido. Überraschenderweise reduzierten die staatlichen Maßnahmen
wegen Corona den Sex nur zwischen Partnern, während ein Rückgang der Zahl der
Selbstbefriedigungen nicht angegeben wurde.
Aus diesen Ergebnissen lässt sich schließen, dass nicht das Virus allein,
sondern auch die mit der Pandemie einhergehenden psychosozialen Belastungen für
eine verminderte Libido verantwortlich sind.
Weitere Studien zeigten, dass Corona
besonders die Libido des weiblichen Geschlechts beeinträchtigte.
Hatten viele Menschen zu Beginn der Pandemie noch vermutet, dass die
Lockdown-Maßnahmen zu mehr Zweisamkeit bei Paaren führen würden und bisweilen
sogar ein Babyboom erwartet wurde, so zeigte sich, dass Corona und Sex in einem
ungünstigen Verhältnis zueinander stehen: In einer weiteren groß angelegten
Studie mit 1.300 Teilnehmern zeigte sich, dass 54 % vermehrte sexuelle Unlust
während der Corona Pandemie verspürt hatten.
Die Folgen von Corona haben Sex eine
untergeordnete Rolle einnehmen lassen: Wirtschaftliche Unsicherheit, soziale
Isolation, der Verlust von Familiengehörigen und gesellschaftliche Unruhe
werden von vielen Menschen als Stressoren empfunden. Das permanente
Stresserleben führt zu einem Anstieg des Stresshormons Cortisol, welches den
Sexualtrieb reduziert und dazu beiträgt, dass während Corona Sex an Relevanz
verliert. Evolutionär betrachtet ist dies nachvollziehbar, da ein hohes
Stresslevel auf Gefahren hinweist und bedrohlichen Situationen Sex nicht im
Vordergrund steht. Aufgrund der langen Dauer der Pandemie, hat sich bei vielen
Menschen der Cortisolspiegel konstant auf einem hohen Niveau gehalten. Coronaunabhängige
Studien zeigten bereits in der Vergangenheit, dass dauerhaftes Stresserleben
ein erhöhtes Risiko für psychische Erkrankungen wie Depressionen und
Angstzustände birgt, welche wiederum zu einem Verlust des sexuellen Verlangens
führen können.
Eine Corona Impotenz kann bei Männern durch das
Virus selbst verursacht werden, indem das Virus die Blutgefäße des Körpers schädigt
und Entzündungen der Gefäßauskleidungen verursacht. Dies kann zu kleinen Blutgerinnseln,
unter anderem in den Blutgefäßen des Penis führen, welche die Kapillare
verstopfen und somit Durchblutung und folglich die Erektionsfähigkeit
beeinträchtigen. Da für eine Erektion der Schwellkörper mit ausreichend Blut
versorgt werden muss, führen Gefäßschäden innerhalb des Schwellkörpers häufig
zu einer Corona Impotenz oder zu vermehrten Schwierigkeiten, eine Erektion
aufrechtzuerhalten.
Mediziner nehmen an, dass das Coronavirus die
Schwellkörper im Penis, infolge der Gefäßentzündungen, vernarben lässt. Diese
Schwellkörper spielen eine wichtige Rolle bei der Erektion. Sind sie
beeinträchtigt oder ihre Gefäße nachhaltig zerstört, führt dies zu Problemen
beim Erreichen oder Aufrechterhalten einer Erektion.
Indem das Coronavirus durch das ACE2-Protein in die Zellen eindringt, kann es die Hoden beeinträchtigen und die Produktion von Testosteron und Spermien reduzieren. ACE2 ist das Enzym, das SARS-CoV-2 auch bei anderen Körperzellen nutzt, um diese zu infizieren. Ein niedriger Testosteronspiegel kann, neben einer verminderten Libido, auch weitere gesundheitliche Probleme wie Haarausfall nach Corona oder Muskelschwund und Energiemangel verursachen. Auch anhaltende Long-COVID Symptome wie Fieber und Müdigkeit oder andere Infektionserkrankungen können die Testosteronproduktion beeinträchtigen. Jüngste Studien deuten auch auf eine Beeinträchtigung der Fruchtbarkeit bei Männern durch COVID-19 hin.
Ein Verlust des Geruchs- und Geschmacksempfindens ist eines der Leitsymptome von COVID-19. Diese Störungen beeinträchtigen nicht nur den Genuss beim Essen und Kochen, sondern haben auch Auswirkungen auf das Lustempfinden; Mediziner berichten, dass etwa 30 % aller Menschen mit Geruchsstörungen über einen Verlust des Lustgefühls klagen. Corona kann Sex deshalb nicht nur durch die psychosozialen Pandemiefolgen unattraktiv machen, sondern auch dadurch, dass Betroffene ihren Partner "nicht mehr riechen können“. Manche Patienten berichten auch von Angst vor unangenehmen eigenen Körpergerüchen, die mit der Störung des Geruchssinns in Verbindung stehen.
Epidemiologischen Daten zufolge sind Frauen häufiger von Long-Covid-Syndromen betroffen und leiden folglich auch häufiger an lustdämpfenden Zuständen wie starker Müdigkeit und Stress. Da das Lustempfinden von Frauen stärker mit dem Geruchserleben assoziiert ist als bei Männern, kann Corona ihre Libido zusätzlich negativ beeinflussen. Doch auch ihr Pflichtbewusstsein gegenüber Familienmitgliedern und dem eigenen Haushalt kann dazu beitragen, dass wenig Zeit und Energie für eigene Bedürfnisse bleiben. Studien weisen darauf hin, dass Frauen eher zu Depressionen und Angstzuständen neigen als Männer. So kann es infolge der erhöhten Belastung und der sozialen Isolation durch die Pandemie dazu kommen, dass Frauen eher von psychischen Problemen betroffen sind, die sich auch an ihrem Sexualverhalten bemerkbar machen. Des Weiteren sind Frauen häufiger in Bereichen tätig, die von Auswirkungen der Pandemie betroffen sind.
Vor allem die Folgen des persönlichen Stresserlebens können durch gezielte Maßnahmen gelindert werden: